Donnerstag, 6. November 2008

Vom Wert des Dachs

Nun bin ich also über 3 Monate hier im Land und damit von zu Hause weg.

Einer von vielen Gründen diese Reise, dieses Abendteuer anzutreten, war der, nicht in einer Lebenswelt stecken zu bleiben.
Ich habe mich zu Hause wirklich wohlgefühlt, was auf der einen Seite natürlich eine tolle Sache ist. Aber so wie alle guten und auch schlechten Dinge eine positive wie eine negative Seite haben, hat auch das sein negatives: ich hatte das Gefühl einzurosten und das schon so jung. Einige eingerostete Stellen kann ich hier immer wieder feststellen.
Für alle die meine „Rost-Metapher“ nicht verstehen, ich kann es auch anders ausdrücken: Wir sind in Deutschland doch sehr verwöhnt. Einfachere Lebensverhältnisse bzw. schon andere Lebenswirklichkeiten können uns da ein Stück weit aus unserer Verwöhntheit herausholen und uns somit ein bisschen entwöhnen also entrosten.
In diesem Zusammenhang sei aber auch gesagt, dass es neben der Realität hier durchaus andere Flecken auf der Erde gibt, die dem Verwöhnten weitaus mehr Anstrengungen abverlangen.
Ein Beispiel will ich aber doch nennen mag es auch noch so simpel sein.
Wenn es regnet, schützt uns für gewöhnlich ein Dach über dem Kopf. Im Prinzip bemerken wir es gar nicht mehr, was für einen Wert ein Dach über dem Kopf eigentlich hat. Etwas mehr zu schätzen lernt man diese Sache wieder, wenn das Dach, welches uns schützen soll plötzlich Risse, undichte Stellen aufweist. Wir müssen möglicherweise das Bett verschieben, um nicht im Schlaf nass zu werden. Vielleicht müssen wir sogar unsere Kleider, die bisher in einem Regal gelagert waren, an einen anderen Platz tun, weil sich die Risse im Dach genau über dem Kleiderschrank aufgetan hatten und alles feucht und nass machen.
Wenn wir in unserem Bett liegen und ausruhen oder ein bisschen lesen, hören wir wie das Wasser aus den undichten Stellen auf den Boden tropft. Wenn wir nun aufstehen und unvorsichtig sind treten wir auf eine nasse Stelle.
Erst wieder wenn die undichten Stellen behoben sind und wir beim nächsten Regenschauer keinen Tropfen hören, die Kleider wieder an Ort und Stelle räumen können, das Bett an seiner Stelle stehen bleibt und wir beim hinein- und hinausgehen uns die Füße nicht nass machen, zieht in das Zimmer wieder diese wohlige Atmosphäre ein, die uns entspannen lässt. Erst jetzt erkennen wir den Wert ein Dach über dem Kopf zu haben und können nur ansatzweise fühlen wie es wohl sein muss keines zu haben.

Das Amt

Zu beginn gibt es heute einmal ein kleines Ratespiel. Die Frage lautet wo befinden wir uns?
Hier die Beschreibung: Es sitzen Menschen hinter Glasscheiben, bei denen man den Pass verlängern, Führungszeugnisse und sonstigen Rat erfragen kann. Diese Menschen tun dies in deutscher Gründlich- und Ordentlichkeit. Kopien eines Passes können ohne den Originalpass selbst gesehen zu haben auf keinen Fall beglaubigt werden. An den Wänden hängen Bilder vom Brandenburger Tor und von Bundespräsident Horst Köhler. Bevor man seinen Rat bei den Beamten erfragen kann, muss man abwarten bis sein Name aufgerufen wird. Solange kann man aber in Zeitschriften wie dem Spiegel oder der Wirtschaftswoche blättern und sich die Zeit im klimatisierten und melonefarbenen Wartezimmer verkürzen. Auch ein Plakat über die bald statt findende Motorenmesse in Karlsruhe informiert den Wartenden.

Haben Sie es schon erraten? Vielleicht kann Ihnen die Überschrift dabei helfen?
Und?

Die Antwort lautet: Wir befinden uns in einem deutschen Amt. Die ganze Sache wäre auch gar nicht so aufregend und erwähnenswert wenn sich dieses Amt in einer normalen deutschen Stadt befindet, wo man, wenn man ins Rathaus geht auch gar nichts anderes erwartet.
Wenn wir dieses Amt aber jetzt einmal nehmen und in ein Hochhaus mitten in einer mittelamerikanischen Hauptstadt versetzen, dann klingt das Ganze doch noch einmal interessanter.

So waren wir also gestern mitten in San José, mitten im tagtäglichen Chaos „aufm Amt“. Ich will es nicht Kulturschock der anderen Art nennen, aber es gab für die 3 Eirene Freiwilligen einiges altbekanntes zu entdecken, was auf Grund des Umfelds wie Neuentdeckungen Aufmerksamkeit erregte.
Deutsche. Schon als wir in den Aufzug stiegen, um in den 8. Stock zufahren, trafen wir auf Landsleute. Gerade verließen 3 deutsche den Aufzug: Frau Mama – groß, blond und schlank. Der Sohn – blond mit Deutschlandtrikot. Und seine kleine Schwester.
In der Botschaft. Fotos mit verschiedensten Motiven aus Deutschland, dazu der Bundeshorst, im Hintergrund die Europaflagge. Verschiedenste Ausgaben des Spiegels und der Wirtschaftswoche. Die Büroeinrichtung: deutsch-modern.
Die Beamten: jung und deutsch, reinstes hochdeutsch sprechend.

Es gibt also einen Platz in diesem Land, wo man deutsche Übergenauigkeit und Bürokratie noch live und in Farbe hinter Glasscheiben wie im Zoo verfolgen kann. Gut zu wissen. Für alle Fälle.

Übrigens auch die Öffnungszeiten sind einfach nur deutsch: von 9 Uhr bis 12 Uhr. Immerhin 3 Stunden pro Tag für die Probleme eines jeden Deutschen in Costa Rica.


Wir sind Amt! Sogar im Ausland.

Bis zum nächsten Mal.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Felix Gartner

Andrea, Barack und Felix im Oktoberstress

Hallo liebe Leser,

zuerst muss ich und möchte ich mich für meine absolute Disziplinlosigkeit im Monat Oktober entschuldigen.
Wäre ich jetzt Barack Obama könnte ich sagen: „ YES WE CAN. I want to be the most powerfull man on earth an because of this – YES WE CAN – I have to work verry hard an so I can’t write any reports on my Blog page. YES WE CAN. I will leed the glorious United Staats of the world, sorry, of America – YES WE CAN – out of the bush and into a great future. YES WE CAN.” Oder wäre ich Andrea Ypsilanti. Es scheint gerade schwieriger und Zeit aufreibender zu sein aus 3 linken Parteien eine Mehrheit zu bilden als in den USA als Afroamerikaner die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.
Aber auch als Freiwilliger in Costa Rica gibt es durchaus Entschuldigungen und Gründe einen Monat lang nicht in seinen Blog zu schreiben. Dennoch werde ich früher als die Bahn an die Börse, meinen neuesten Bericht aus Lateinamerikaner ins Netz stellen. Und zwar JETZT und das sogar ohne Bonuszahlungen von Eirene.
Genug lustige Witze gerissen, jetzt wird’s ernst. Hier also meine Entschuldigung:


ENTSCHULDIGUNG FÜR FEHLENDE EINTRÄGE IM WEBBLOG

Name: Felix Gartner
Wohnort: San Rafael de Heredia

Fehltage: über einen Monat

Gründe: Arbeit. Ich habe in diesem Monat also etwas getan. So wie es der ausgearbeitete „Plan de Trabajo“ vorsieht, habe ich den ganzen Monat in der „CEUNA“ gearbeitet. Die „CEUNA“ ist eine private Grund- und weiterführende Schule. Schüler können hier nach der 11. Klasse das „bachillerato“ vergleichbar mit dem Abitur erwerben.
Die Schule wird von der Universität in Heredia unterhalten und setzt ihre Schwerpunkte in der Umweltbildung. Die Gebäude sind auf einem Gelände einer ehemaligen Kaffeefinka errichtet worden, was bedeutet, dass die Schülern mitten in und mit der Natur lernen können. Die Schule besitzt einen eigenen Schulwald, ein „Centro de Acopio“ (Mülltrennungscenter) in klein und hat mehere kleine Gärtchen, wo Pflanzen aller Art gepflegt und behütet werden. Außerdem gibt es 3 Schulschildkröten, die in ihrem eigenen Schilkötiarium leben und Schulwürmer, die von den 1. Klässlern wöchentlich mit frischer Nahrung versorgt werden.

In dieser Schule also war ich den ganzen Monat jeden Tag von 8 bis 15 bzw. 16 Uhr. Die Direktorinnen, die Lehrerinnen und Lehrer sowie natürlich die Schüler haben mich hier ganz herzlich aufgenommen. Aber der 2. Woche hatte ich sogar meinen eigenen „horario“ (Stundenplan) und so wusste ich immer wann ich was machen kann. Montags und Donnerstag waren jeweils die „proyectos ecológicos“ dran. In den Umweltprojekten kümmerten sich die einen um die Schildkröten, die anderen um die Schmetterlinge, wieder andere um den Schulwald.
An den anderen Tagen war entweder selber Unterricht machen oder einfach nur zuhören angesagt. So gab ich in allen „Secundaria“- Stufen „english conservation“ oder hörte ein bisschen bei den „Primarias“ in den Unterricht rein.
Der Unterricht in der Grundchule (Primaria) ist eigentlich ähnlich wie in Deutschland. Neben dem Unterrichtsstoff muss in den ersten Jahren auch anderer Dinge wie nur einmal pro Stunde aufs Klo gehen, Ruhig sitzen bleiben können etc, vermittelt werden.
Die Lehrer hier haben dazu 2 Jahre mehr, nämlich 6 Grundschuljahre Zeit.

In der „Secundaria“ kommen dann andere Probleme auf die Lehrer zu. Wenn man da nicht strenge und Authorität zeigt oder hat, wird’s schwierig. Dies ist wohl das Problem vor allem junger Lehrer und ins besondere der Englischlehrerin hier in der CEUNA. So haben wir manchmal statt Englisch Unterricht, das Zimmer gefegt oder geputzt oder über andere wichtige Dinge des Lebens (auf Spanisch) gesprochen. Dennoch konnte ich aber meistens ein meine vorbereiteten Themen auf Englisch durchsetzen, so dass wenigstens jeder mindestens einen englischen Satz zu Thema sagen musste. Der Unterschied in den Klassen was „Englisch sprechen können“ angeht ist ziemlich groß. Einige wenige sprechen sehr gutes Englisch und viele sprechen schlechtes oder gar keines. Diese Struktur zieht sich durch alle Klassen der „Secundaria“. Viele, die jedoch Englisch sprechen, haben einige Jahre in den USA gelebt, eine Mutter oder einen Vater aus der USA oder es sich selbst beigebracht.
Zu meiner eigenen Schande muss ich gestehen, dass ich im Moment mein schlechtestes Englisch seit der 5. Klasse spreche. Ich habe zum Teil schon die Aussprache der Leute hier angenommen und in einem Englischen Satz, den ich ausspreche, rutscht mindestens ein spanische Wort rein.
Außerdem merke ich hier, dass mir die englische Sprache überhaupt nicht gefällt. Englisch kommt mir hier so strukturell, technisch vor. Spanisch dagegen mehr poetisch und gesungen. Die Melodie des Spanischen ist einfach schöner.

Genug philosophiert. So war ich also einen kurzen Monat lang in der CEUNA und hatte nachdem ich abends nach Hause kam, keine Motivation mehr übrig meinen „Fans“ in Alemania Bericht zu erstatten. Aber nicht nur ihr musstet leiden, auch der „Thomas’ Zauberberg“. Diesen entgültig zu besteigen und somit das Werk zu Ende zu lesen ist mir zudem nicht gelungen.

Ich bitte also um Entschuldigung und gelobe für die kommenden Monate Besserung.
Wenn ich auch gleich vorwarnen muss. Ab Samstag Reise ich Richtung Nicaragua. Denn am kommenden Mittwoch haben wir dort mitten auf dem Nicaraguasee in „Ometepe“ das erste Zwischenseminar von Eirene. Dazu werden alle Freiwilligen aus ganz Mittel- und Südamerika kommen, insgesamt etwa 30 Leute.
Also bitte nicht wundern, wenn es wieder eine Woche dauert bis der nächste Bericht kommt.

Ich hoffe die Entschuldigung ist angenommen?
So ich muss jetzt auch los. Dem Barack noch eine Glückwunschmail schreiben und in Hessen für Neuwahlen sorgen.

Bis dann – Glück auf,
Felix